Projekt
Stolpersteine Wolfenbüttel

der Klasse 9 d
(M. Hemminger)

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Namen und Spuren

Familie Berger, Großer Zimmerhof 21
Familie Cohn, Bahnhofstraße 4
Familie Cohn, Halchtersche Straß 8
Fritz Fischer, Fritz-Fischer-Straße 22 a
Familie Ilberg, Lange Herzogstraße 49
Alfred Perkampus, Fritz-Fischer-Straße 9
Familie Pohly, Bahnhofstraße 3
Familie Reis, Lange Herzogstraße 26
Familie Schloss, Lessingstraße

Familie Kirchheimer

Dr. Siegfried Kirchheimer
Martha Kirchheimer
Lore Kirchheimer
Alice Kirchheimer
Grete Kirchheimer
Hans Kirchheimer

Schützenstraße 20

In der Schützenstraße 20 lebte die Familie Kirchheimer: Dr. Siegfried Kirchheimer, seine Frau Martha und die Kinder Lore, Alice, Grete und Hans.

Doktor Siegfried Kirchheimer war ein beliebter Arzt in Wolfenbüttel. Sein Wartezimmer war stets voll. Er war der "Arzt der Auguststadt". Die Wolfenbütteler schätzten ihn und seine Arbeit. Doktor Kirchheimer war in ganz Wolfenbüttel bekannt, er bekam auch den Titel "Kleine-Leute-Doktor". Er behandelte die Menschen unabhängig von Herkunft und Gesinnung, ob Bürger oder Arbeiter.

Kirchheimer wurde 1891 in der Nähe von Bremen geboren. Er studierte Medizin und nahm wie viele andere Juden am Ersten Weltkrieg teil. Er erhielt mehrere Auszeichnungen. 1919 eröffnete er in der Langen Herzogstraße 14 eine Praxis.

Martha Kirchheimer wird am 30. Dezember 1891 in Driburg geboren. Sie heiratet 1926 Siegfried Kirchheimer. Das Ehepaar Kirchheimer zieht in das Haus Schützenstraße 20. Das Ehepaar bekommt vier Kinder, alle werden in Wolfenbüttel geboren, wachsen dort auf und gehen dort zur Schule. Wolfenbüttel wird ihre Heimatstadt.

Im März 1933 drangen Hilfspolizisten in das Haus von Dr. Kirchheimer ein und durchsuchten es. SA-Leute standen vor Kircheimers Haus. Bereits 1932 wurde Kirchheimer durch einem Stadtrat der NSDAP verboten, für das städtische Fürsorgeamt zu arbeiten. Auch ihn treffen mit der Machtübernahme der Nazis 1933 die antijüdischen Maßnahmen mit aller Härte.

Lore Kirchheimer wurde am 27. März 1921 in der Langen Herzogstraße in Wolfenbüttel geboren. Aufgewachsen ist sie jedoch in der Schützenstraße. Lore war mit ihren 12 Jahren noch ein Kind, als sie das erste Mal richtig zu spüren bekam, wie man als Judenkind behandelt wird, als ihr eines Tages mitgeteilt wurde, sie dürfe nicht mehr auf die Mittelschule gehen. Es hieß, sie wäre dort nicht mehr erwünscht. Zu Lores schlimmsten Erlebnissen zählt wohl, dass sie mit ihrem Vater und ohne ihre Mutter und ihre Geschwister Deutschland verlassen musste, ohne die Gewissheit, sie jemals wiederzusehen. In den letzten Jahren besuchte Frau Eppy regelmäßig Wolfenbüttel.

Nun nahmen die Nazis ihn nicht nur als Jude ins Visier, sondern auch als politischer Andersdenker. Bis 1938 hält Dr. Kirchheimer durch, obwohl die Arbeits- und Lebensbedingungen immer schwieriger werden. Seine Praxis musste er schließen.

Er hat Brüder in den USA, die ihn auffordern, das Land zu verlassen. Kirchheimer tut sich schwer, alles aufzugeben. Doch dann entschließt er sich mit seiner Familie zur Flucht. Obwohl schon fast auf dem Weg, kehrte das Ehepaar Kirchheimer im September 1938 noch einmal nach Wolfenbüttel zurück, um für die Kinder Erinnerungsfotos zu machen. Er wird beobachtet und denunziert und von der Gestapo nach Braunschweig gebracht und am Abend wieder freigelassen. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 holte man Kirchheimer, der jetzt mit seiner Familie in Bad Driburg wohnte,  um drei Uhr nachts ab und brachte ihn ins Gefängnis. Am 11. November kam er wieder frei. Ihm wird klar: Er muss Deutschland verlassen.

Martha Kirchheimer war hingegen nicht im Besitz eines gültigen Visums und muss in Deutschland zurückbleiben. Vater Siegfried flieht mit Tochter Lore in die USA. Die Familie ist nun getrennt.

Für Martha Kirchheimer und ihre Kinder beginnt eine Zeit der großen Unsicherheit. Und doch haben sie Glück. 1941 erhalten sie eine Ausreisegenehmigung. In einem Güterwagen werden Martha und die Kinder bis nach Lissabon verfrachtet. Von dort geht es am 25. April 1941 nach New York, wo sie Vater Siegfried und Tochter Lore wiedersehen.

Doktor Kirchheimer durfte seinen Beruf nicht mehr in Amerika ausüben, daraufhin wurde er Altenpfleger.

Dr. Kirchheimer starb am 21. Januar 1991 knapp einem Monat vor seinem 100. Geburtstag, ohne Wolfenbüttel, seine geliebte Heimatstadt, je wiedergesehen zu haben. Die Stadt ehrte Kirchheimer durch die Benennung einer Straße in der Nähe seiner früheren Wohnung. Wir gedenken heute Dr. Kirchheimer und seiner Familie mit Steinen der Erinnerung.